Mittwoch, 19.08.2020 13:30

Floridsdorfer Hochbahn

Vergangene Regentage haben dafür gesorgt, dass Herrn Wiffczek langsam die Decke auf den Kopf fällt. Zwar freut sich sein kleiner Garten über das milde Wetter und den vielen Regen, aber Herr Wiffczek ist nun mal keine Blume. Nein, er braucht endlich mal wieder ein wenig Bewegung. „Zeit für einen kurzen Spaziergang“, denkt sich Herr Wiffczek, zieht sich Schuhe und Jacke an, setzt seinen Hut auf und marschiert los.

Als ehemaliger Eisenbahner zieht es ihn gleich zur nahegelegenen Floridsdorfer Hochbahn. Als er an den Viadukten und Bögen entlang geht, kommt er ins Grübeln. Man sieht vielleicht auf den ersten Blick gar nicht, dass es sich bei der Mauer, die entlang der Thayagasse führt, eigentlich um Bahnbögen sogenannte Viadukte handelt. „Viele wissen das vielleicht gar nicht, aber die U6 ist nicht die einzige Hochbahntrasse in Wien“, denkt er.   Er mag die Architektur der alten Ziegelbögen und irgendwie sind sie ein kleines Wahrzeichen der Gegend. Gleichzeitig ist die Geschichte dieses Bauwerks mehr als düster.

Die Pläne für diese Bahnverbindung im Norden von Wien sind bereits über 100 Jahre alt, konkret gab es erste Überlegungen dafür im Jahr 1911. Doch die Errichtung fand im Zuge des Ersten Weltkriegs statt und sollte die Versorgung der Truppen und der weiteren Befeuerung dieses furchtbaren Kriegs dienen. Schlimmer noch als der Zweck, für den die Hochbahn gebaut wurde, waren die Umstände unter denen gebaut wurde.

Denn dafür wurden nämlich Kriegsgefangene des Ersten Weltkriegs eingesetzt. Es wurde im Bereich Leopoldau ein eigenes Gefangenenlager errichtet und viele Kriegsgefangene aus dem nahe gelegenen und weitaus größeren Lager Sigmundsherberg hierher verlegt. Dabei handelte es sich zum Großteil um Menschen aus Italien. Innerhalb des Jahres 1916 wurde die Bahnstrecke durch Zwangsarbeit errichtet. Dabei mussten die Gefangenen nicht nur mit den harschen Arbeitsbedingungen kämpfen, sondern auch mit Krankheiten wie Cholera. Und tragischerweise gibt es kaum Aufzeichnungen zu Lager und Baustelle und bis heute ist ungeklärt wie viele Menschen hier ihr Leben verloren haben.

Im Zweiten Weltkrieg machten die Nationalsozialisten regen Gebrauch von der Strecke. Da es in Floridsdorf viel Industrie gab zu dieser Zeit wurde die Strecke mehrmals bombardiert und wiederaufgebaut. Doch das vorläufige Aus für die Hochbahn kam als die Wehrmacht die Nordbrücke sprengte. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs fehlte es in Wien schlicht an den Mitteln die Viadukte wiederherzustellen. Stattdessen begann man Teile des alten Bauwerks abzutragen und die Materialien an anderen Orten zu verbauen. Erst in den 1990er Jahren wurde die Floridsdorfer Hochbahn wieder revitalisiert und in Betrieb genommen.

Herr Wiffczek hat seinen Spaziergang fast abgeschlossen, aber einen letzten Ort will er noch besuchen. Und so erklimmt er die Stufen zum Bahnsteig der S-Bahn-Station Siemensstraße. Wenn man über die Schienen zu den alten Ziegelviadukten blickt, sieht man nämlich das Denkmal, das im Zuge der Renovierungsarbeiten in den 1990er Jahren errichtet wurde. „Die weinende Brücke von Wander Bertoni soll an all die italienischen Kriegsgefangenen erinnern, die diese Brücke errichtet haben und dabei ihr Leben lassen mussten.“, denkt Herr Wiffczek traurig. Und als er den Heimweg antritt, geht im nur ein Satz durch den Kopf: „Niemals vergessen“.

 / Stadtteilmanagement Neu Leopoldau / Mittwoch, 19.08.2020 /  4

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  1. 25.01.2021 7:20 / Hans Berger

    Leider wird sehr rücksichtslos geparkt. Halte-Verbote immer ignoriert, sodass manchmal die Müllabfuhr die Container nicht entleeren kann. Verkehrsberuhigt habe ich mir anders vorgestellt!. Da war doch mal ein Plan, dass Fahrzeuge nur auf den dafür vorgesehenen Parkplätzen abgestellt werden dürfen.

    • 25.01.2021 11:02 / Stadtteilmanagement Neu Leopoldau

      Sehr geehrter Herr Berger,
      diese Probleme sind uns leider bekannt. Wir sind diesbezüglich auch in Kontakt mit der Baustellenleitung und mit Bewohner*innen. Die Verkehrsberuhigung kann leider erst greifen, wenn die Straßen und alle entsprechenden Flächen fertiggestellt sind, was voraussichtlich mit Ende des Jahres passieren sollte. Bis dahin gibt es noch die derzeitige Kulanzlösung.
      Mit freundlichen Grüßen,
      Michael Masching

  2. 27.01.2021 14:47 / Gast

    Die S-Bahn-Station heißt Siemensstraße, nicht Siemensgasse.

    • 28.01.2021 13:56 / Stadtteilmanagement Neu Leopoldau

      Danke für die Anmerkung – ist geändert =)

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  1. 13.04.2023 21:34 / Georg Tasch

    Wäre es möglich, ein Protokoll der Bewohnerinnenversammlung vom 31.03.2023 zu veröffentlichen, da viele nicht den Termin wahrnehmen konnten.
    MfG
    Georg Tasch

    • 17.04.2023 9:55 / Stadtteilmanagement Neu Leopoldau

      Sehr geehrter Herr Tasch,

      Wir arbeiten gerade an dem Protokoll bzw. an der Aufbereitung der Ergebnisse. Sobald diese fertig sind, werden sie hier veröffentlicht.

      Freundliche Grüße,
      Stadtteilmanagement Neu Leopoldau

  2. 18.04.2023 7:42 / Anastasius Grünmann

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    leider wird ein Mieter*innenbeirat sehr wenig bringen. Als Bewohnen von Menzelstraße 10 kann ich nur von meinem Wohnblock berichten. Der Eingangsbereich der Stiege 1 ist zum Wiederholtem Male beschmiert worden. Mülltrennung ist ein Fremdwort. Zu Guter Letzt wurde das Tischtennisnetz entwendet, was ja alleine für die geistige Umnachtung der Person spricht, welche es mitgenommen hat. Denn was macht man mit einem Tischtennisnetz? Die Stadt Wien wird sich schon was dabei gedacht haben bei der sozialen Durchmischung des Gebäudes.

    Das mit der Autofreien Zone passt überhaupt nicht. Viele Menschen sind einfach resistent.

    Im Endeffekt muss man das Beste darauß machen.