Dienstag, 17.09.2024 15:17

Wege zur Selbstversorgung: welche Alternativen gibt es zum Supermarkt?

Herr Wiffczek macht an einem sonnigen Nachmittag einen Spaziergang durch Neu Leopoldau. Auf dem Weg trifft er Frau Nachbarin, die gerade in ihrem Vorgarten arbeitet. „Wie geht es Ihnen, Frau Nachbarin?“, fragt er freundlich. „Gut, danke“, antwortet sie, „aber ein bisschen traurig bin ich schon, ich habe nämlich die Veranstaltung vom GB*Stadtteilmanagement im Trafohaus letzte Woche verpasst. Die, wo es um Wege zur Selbstversorgung ging.“

„Ach, das ist kein Problem“, sagt Herr Wiffczek aufmunternd. „Ich war dort und kann Ihnen erzählen, wie es war.“ Er lehnt sich an den Gartenzaun, während Frau Nachbarin neugierig ihre Arbeit unterbricht und sich ihm zuwendet.

„Es war wirklich interessant,“ beginnt er. „Ich habe einiges über die gemeinsame Landwirtschaft Wilde Rauke, die FoodCoop FC Flora und FoodSharing erfahren.“ Frau Nachbarin hört gespannt zu, und Herr Wiffczek beginnt seine Erzählung.

Vom Samen zum fertigen Gemüse

„Die Wilde Rauke, das ist eine Gemeinschaft, die seit 11 Jahren einen Hektar Land in Stammersdorf bewirtschaftet“, erklärt Herr Wiffczek. „Ihr Ziel ist es, sich möglichst selbst zu versorgen. Sie bauen gemeinsam Gemüse an – biologisch, versteht sich – und versorgen sich mittlerweile sechs bis sieben Monate im Jahr selbst. Es ist nicht nur eine Frage der Lebensmittel, sondern auch des Gemeinschaftsgefühls. Sie treffen sich regelmäßig am Wochenende zu Feldtagen, um gemeinsam zu arbeiten und zu essen.“

Frau Nachbarin ist beeindruckt. „Klingt nach viel Arbeit,“ meint sie. „Ja, das ist es“, bestätigt Herr Wiffczek. „Aber sie sagen auch, dass das so geerntete Gemüse und Obst der Lohn dafür ist und die Gemeinschaft gegen soziale Vereinsamung hilft. Jeder kann sich einbringen, sei es beim Anbau, der Ernte oder anderen Aufgaben. Und sie suchen immer wieder neue Mitglieder – besonders jüngere, da der Altersdurchschnitt momentan bei 60 bis 70 Jahren liegt.“

Anders einkaufen geht auch

„Haben Sie auch von der FoodCoop Flora gehört?“, fährt Herr Wiffczek fort. „Gregor hat von der FC Flora erzählt. Das ist ein Zusammenschluss von Haushalten, die direkt bei Produzent*innen einkaufen. Sie übernehmen selbst die Handelsfunktion. Jede*r hat einen Chip und kann zu jeder Zeit seinen Einkauf vom gemeinsamen Lager abholen. Es geht nicht um Gewinn, sondern um den direkten Kontakt zu den Produzent*innen und ein anderes Einkaufsverhalten. Der Fokus liegt darauf, was man wirklich braucht. Sie organisieren sich soziokratisch – das heißt, Beschlüsse werden nur gültig, wenn niemand ernsthaft widerspricht. Das hat schon was, finden Sie nicht?“

Frau Nachbarin nickt langsam. „Das klingt sehr spannend und irgendwie… befreiend.“

„Gregor hat auch erzählt, dass er Mitleid in einer solidarischen Landwirtschaft GELA Ochsenherz ist, die Menschen fair bezahlt um Lebensmittel zu produzieren.“ erklärt Herr Wiffczek. „Damit geht es nicht mehr um den Preis für’s Kilo, sondern um die Lebensbedingungen der Bäuer*innen.“

„Auch ein spannender und wichtiger Ansatz“, stellt Frau Nachbarin fest.

Gerettete Lebensmittel retten die Welt

„Und dann war noch Monika von FoodSharing Österreich da „, erzählt Herr Wiffczek weiter. „Während sie erzählte, haben auch einige Kinder gespannt zugehört. Sie brachte sogar viele gerettete Lebensmittel mit, die sich die Teilnehmer kostenlos mitnehmen konnten. Das Konzept ist ganz einfach: Lebensmittel, die sonst weggeworfen würden, werden gerettet und verteilt. Es gibt keine Mitgliedsbeiträge und es braucht auch keinen sozialen Nachweis – jede*r kann mitmachen. Man muss sich online registrieren und wird dann geschult, um verantwortungsvoll Lebensmittel bei Partnerbetrieben abzuholen. Alles, was abgeholt wird, muss auch verteilt werden, ob in der eigene Familie, im Haus oder bei einem Fairteiler – so lernt man auch immer wieder neue Leute kennen. Alles basiert auf ehrenamtlicher Arbeit und die Lebensmittel werden kostenlos weitergegeben.“

„Das ist wirklich ein nachhaltiger Ansatz“, sagt Frau Nachbarin. „Finden Sie nicht auch, dass das eine gute Möglichkeit wäre, sich in Neu Leopoldau besser zu vernetzen?“

Herr Wiffczek lächelt zustimmend. „Absolut, so kommen viele verschiedene Personen zusammen und können sich kennenlernen – gut gegen Einsamkeit. Bei der Veranstaltung wurde auch darüber gesprochen, wie wichtig solche Initiativen gerade in Zeiten des Klimawandels sind. Die Wilde Rauke setzt zum Beispiel nicht nur auf Bio-Gemüse- und Obstproduktion, sondern schafft auch Lebensräume für Tiere und Pflanzen. Und die FoodCoop zeigt uns, dass es fair produzierte Lebensmittel als Alternativen zum klassischen Supermarkt für die Selbstversorgung gibt. Und FoodSharing setzt mit den geretteten Lebensmitteln sowieso ein super Zeichen gegen die Klimakrise.“

„Das klingt, als ob Sie jetzt wirklich inspiriert sind“, bemerkt Frau Nachbarin schmunzelnd.

„Das bin ich auch“, antwortet Herr Wiffczek. „Vielleicht mache ich bei einem dieser Projekte mit. Oder vielleicht gründen wir hier in Neu Leopoldau unsere eigene FoodCoop oder stellen einen Fairteiler auf? Wer weiß. Es gibt auf jeden Fall viele Wege zur Selbstversorgung, und die Veranstaltung hat mir gezeigt, wie erfüllend das sein kann.“

Mit diesen Worten verabschiedet sich Herr Wiffczek und geht weiter auf seinem Spaziergang, während Frau Nachbarin nachdenklich am Zaun stehen bleibt.

Mehr Informationen sowie Beratung unter:

Wilde Rauke: wilderauke.at

GELA Ochsenherz: ochsenherz.at

FC Flora: flora.fcoop.at

FoodSharing Österreich: foodsharing.at

Fairteiler: foodsharing.at/fairteiler?bid=13

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  1. 19.09.2024 13:58 / SupermarktSuchenderSeit2019

    Statt über Alternativen zu Supermärkten zu schreiben, wie wärs mit Infos zu wirklichen Supermärkten?

    • 25.09.2024 17:39 / Sarah Bernhard

      Lieber Supermarktsuchender,
      Sobald es Informationen zu Supermärkten gibt, werden wir sie gerne auf der lebendigen Stadtteilkarte veröffentlichen. Im Moment wissen wir jedoch nicht von neuen Planungen. Die Planungen, wo Supermärkte errichtet werden, liegt jedoch bei den Supermarktketten und somit außerhalb unseres Wirkungsbereichs. Die Veranstaltung sollte aufzeigen, dass auch Alternativen zum konventionellen Supermarkt gibt, die engagierte Bewohner:innen gemeinsam umsetzen könnten. Wir stehen gerne für mehr Informationen bereit.
      Mit besten Grüßen Sarah Bernhard